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Ein Backhaus von 1163 (d) – ein früher Lübecker Hausbefund
 
Bei den archäologischen Ausgrabungen im Gründungsviertel zwischen Holstenstraße und Alfstraße in Lübeck wurden in den Jahren zwischen 2009 und 2014 rund 140 hölzerne Gebäudereste aus dem Zeitraum zwischen der Mitte des 12. und der Mitte des 13. Jahrhunderts ausgegraben, deren wissenschaftliche Aufarbeitung und Publikation momentan durch den Verfasser vorgenommen wird. Aufgrund der sehr günstigen Bodenverhältnisse haben sich die über 800 Jahre alten Bauhölzer, von denen eine große Zahl noch in situ erfasst werden konnte, in einem sehr guten Zustand erhalten. Neben ganzen „Kellergeschossen“, die noch auf einer Höhe von 2,5 m vollständig erhalten waren, sind es aber vor allem die Überreste der ebenerdigen Bebauungen aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, die ebenfalls besondere Aufmerksamkeit verdienen. Beispielhaft für diese leichten Hauskonstruktionen soll hier kurz ein Backhaus von 1163 (d) vorgestellt werden (der Name bezieht sich auf einen im Gebäude befindlichen großen Backofen, dessen Ofenplatten einen Durchmesser von 3 m hatten), das auf Grund der großen Anzahl an erhaltenen Bauteilen und ebenfalls im Vergleich zu den vielen hundert erfassten Bauhölzern der Grabung zu einem Rekonstruktionsvorschlag zusammengeführt werden konnte. Der auf einer Grundfläche von rund 9 x 5 m errichtete Schwellrahmen des Hauses bestand aus hochrechteckig verlegten – teilweise mittels Blattstoßes in der Länge verbundenen – und an den Ecken sich überblattenden Schwellbohlen von durchschnittlich 30 cm Höhe und 10-15 cm Breite. Mittig durchgehend ist eine bis zu 5 cm tiefe, V-förmig eingearbeitete Nut für die Aufnahme der Wandverkleidung vorbereitet. In der direkten Umgebung als auch im Abbruchhorizont des Gebäudes selbst wurden sowohl Reste von gespundeten 25 cm breiten Wandbrettern mit einer max. Stärke von 2,5 cm als auch Reste von Flechtwerkausfachungen gefunden. Letztere waren nicht mit Lehm verputzt, was scheinbar durch die Hitzeentwicklung des großen Backofens auch nicht gewünscht oder gar notwendig war. Die Wände wurden durch aufgeschobene, konvergent genutete Wandständer mit einer Länge von 3,5 m bei einem quadratischen Querschnitt von 22 x 22 cm (Abb. 1) sowie darin eingeschobene, beidseitig genutete Riegel (20 x 10 cm) und in eine Einschlitzung der Ständer eingelassene Rähme (30 x 10 cm) gestaltet, ebenfalls mit einer Nut auf der Unterseite.
Abb. 1:
Eckständer mit Nuten und Zapflöchern für Riegel sowie den Einschlitzungen für Schwellen und Rähm. Daneben schematische Rekonstruktion des Wandaufbaus, hier mit Spundbrettern.

Abb. 2: Rekonstruktionsvorschlag des Hausbefundes aufgrund der geborgenen Bauteile (farbig markiert).
Schräge Blattsassen an den Wandständern lassen auf eine Queraussteifung mittels Kopfbändern (12 x 6 cm) schließen, die an den Eckständern sowohl auch auf die Rähmbohlen als auch auf die aufgekämmten Deckenbalken auf- bzw. eingeblattet waren. Erfreulicherweise fanden sich neben Resten von Kopfbändern, Ständern, den nahezu vollständigen Schwellen, Resten der Riegel und Rähmen, vielen Resten der Wandausfüllungen auch Teile des Dachwerks (Abb. 2).
Der Deckenbalken (22 x 19 cm) ist auf einer Länge von über 3,70 m erhalten und zeigt neben der Blattsasse für den Sparren (14 x 12 cm) zwei schräge Blattsassen für die Sparrenstreben des Dachs. Die Dachneigung liegt bei 50-51°, wodurch sich eine Gesamthöhe des Gebäudes von rund 8 m ergibt. Das Erscheinungsbild muss – zumindest aus heutiger Sicht – doch recht imposant gewirkt haben: ein „einfaches“ Backhaus von 45 qm Grundfläche mit einer Höhe von 8 m (!). Das Dach war vermutlich durch eine ebenfalls gespundete Holzlage gedeckt. Darauf lassen jedenfalls rund 2 m lange und rund 35 cm breite wie max. 4 cm starke Holzbretter schließen, die in der Abbruchschicht des Gebäudes verstreut waren. Auch eine weiche Deckung ist denkbar, allerdings archäologisch kaum noch nachzuweisen. Überdies ist der vorgestellte Befundkomplex ein Glücksfall, da anscheinend nicht alle Konstruktionselemente für eine spätere sekundäre Verwendung Nutzen fanden.
Nach aktuellem Auswertungsstand sind es momentan 61 von 139 Gebäuden, die in dieser Konstruktionsweise zwischen 1157 und 1220 errichtet wurden, parallel zu den klassischen Schwellenständerbauten. Auffallend ist diesen, dass es sich beinahe ausnahmslos um Nebenge-bäude, Scheunen etc. handelte, während die Primärgebäude aus bis zu 40 x 40 cm großen Schwellen mit eingezapften Ständern von bis zu 6-7 m Länge bestanden. Die Ausführungen der konstruktiven Details der Gebäude von „Backhaustyp“ sind sehr sauber ausgearbeitet und wirken im Vergleich zu den Resten der Vorderhausarchitekturen beinahe filigran. Zu Recht drängt sich hierbei die Frage auf, ob diese Holzbehandlung aus dem Zimmerer- oder gar dem Schreinerhandwerk stammen mag. Die Bauteile sind neben ihrer Akkuratheit auch scheinbar vollständig standardisiert, d.h. die geborgen Elemente von verschiedenen Fundplätzen der Grabung könnten untereinander nahezu problemlos ausgetauscht werden. Dies ist umso erfreulicher, als dass die scheinbare Weiterentwicklung des klassischen Stabbaus hin zum ausgereiften, klassischen Fachwerkbau des späten Mittelalters hierin eine weitere und möglicherweise frühere Zwischenform erlebt, die ebenfalls auf eine ältere Bautradition schließen lässt. Hier ist vor allem im Altsiedelland Westfalens und Südniedersachsen zu suchen, woher nach Quellenangaben direkte Zuzugskontakte in die 1143 gegründete Stadt Lübeck bestanden. Bedauerlicherweise ist die organische Erhaltung nicht überall gleich gut und es sind möglicherweise nicht alle Befundlagen abschließend ausgewertet.
Daher meine Bitte: falls Sie in ihren Zuständigkeiten (unpublizierte) profane konvergente Bauhölzer des 11./12. Jahrhunderts bearbeitet haben oder Zugang zu der Dokumentation haben, würde ich mich über einen Daten- und Ideenaustausch sehr freuen.
 
Dirk Rieger, Lübeck
Abbildungen: Dirk Rieger
 
Kontakt:
Dr. Dirk Rieger
Projekt Auswertung Gründungsviertel
4.491 - Archäologie und Denkmalpflege
Abteilung Archäologie Hansestadt Lübeck
Meesenring 8, 23566 Lübeck
Telefon: (0451) 122-7176
E-Mail:
dirk.rieger@luebeck.de
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